Kürzungen im Sozialbereich heißen nicht mehr Kürzungen, sondern „mehr Treffsicherheit“ herstellen. Und Steuererhöhungen für die breite Masse heißen nicht mehr Steuererhöhungen, sondern gelten als Rückkehr zu „alten Preispfaden der GroKo“. Damit ist die stärkere Anhebung des CO2-Preises zum Jahreswechsel gemeint. Ein Klimageld als Kompensation, wie ursprünglich einmal vorgesehen, gibt es nicht. Dass solche Entscheidungen immer erst nach umjubelten SPD-Parteitagen getroffen werden, muss ein Zufall sein.
Dort trat nämlich ein Kanzler auf, der klarstellte, dass es mit ihm keine Kürzungen im Sozialbereich geben werde. Das Gegenteil ist nun der Fall. Eine Aussetzung der Schuldenbremse wurde von den Sozialdemokraten ebenfalls beschlossen. Nun soll darauf verzichtet oder nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn das viele Geld (rund 8 Milliarden Euro) für die Ukraine nicht reicht. Was mit ziemlicher Sicherheit der Fall sein wird, da andere Staaten ihre Hilfen eben nicht ausweiten, sondern zurückfahren. Es braucht daher eine Hintertür, denn der Plan von Scholz, Habeck und Lindner wird ohnehin nicht aufgehen. Es ist Wirtschaftskrise und die bekämpft man eben nicht mit Maßnahmen, die die gesamtgesellschaftliche Nachfrage weiter dämpfen. Was die Ampel vorhat, verschärft die Rezession.
Schließlich verteuert sich nicht nur das Heizen und das Tanken, auch der Strompreis wird für die Verbraucher weiter steigen, da die geplanten Zuschüsse für die Netzentgelte in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gestrichen werden sollen. Die privaten Haushalte werden dadurch deutlich stärker belastet. Die Aufhebung der Preisbremsen bei Gas und Strom waren ja bereits beschlossen und auch die reduzierte Mehrwertsteuer auf Gas fällt weg. Die bereits erstellten und versendeten Preisänderungsschreiben der Versorger sind nun Makulatur. Hinzu kommen Belastungen, die von den Dreien als kreative Ideen bezeichnet werden, wie eine Plastikabgabe, die von den Unternehmen bezahlt werden soll. Das sind Mehrkosten, die am Ende beim Verbraucher landen werden, wie auch die höheren Transportkosten, die durch die bereits erfolgte Anhebung der Lkw-Maut entstehen.
Gehört das frühere Auslaufen der E-Auto-Kaufprämie sowie eine Kürzung der Solarförderung nun zum Abbau klimaschädlicher Subventionen? Diese ironische Frage hätte Christian Lindner vielleicht eher stellen sollen, statt sich über eine Strategie gegen Einsamkeit lustig zu machen, die zeitgleich im Bundeskabinett beraten worden ist. Um die psychische und physische Gesundheit vieler Menschen in diesem Land ist es gar nicht gut bestellt, folgt man aber dieser Regierung, so habe die exklusive Ménage-à-trois im Kanzleramt, bei der niemand der Beteiligten alleine blieb, zu guten Ergebnissen für alle geführt. Lobende Einschätzungen muss man allerdings mit der Lupe suchen. Blamabel sticht die Einlassung des Ifo-Präsidenten Clemens Fuest hervor, der sagt, dass die stärkere Anhebung des CO2-Preises den Anreiz für den Klimaschutz erhalte. Dabei ist das gar nicht beabsichtigt. Die Regierung braucht die Mehreinnahmen schlicht zum Stopfen ihres Haushaltslochs.
Die Bürger können ja gerne sparen, so fern das noch geht, sie sollen aber in erster Linie zahlen, damit die Ampel ihre Milliarden-Zusagen an die Ukraine nicht stutzen muss. Da sei man schließlich führend in ganz Europa, wie der frisch aus dem SPD-Parteivorstand abgewählte Michael Roth erklärt. „Sollten weitere Mittel nötig sein, werden wir noch mehr tun“, erklärt er freimütig und posiert im nächsten Post freudestrahlend an der Seite des ukrainischen Botschafters in Deutschland, der ihm einen Hoodie schenkte. Spaß muss dann eben auch in Kriegszeiten sein.
Wie destruktiv die Schuldenbremse wirkt, zeigt das vorgelegte Paket der Ampel. Die Regierung muss in eine Krise prozyklisch hineinsparen, nur um die Anforderungen zu erfüllen, statt antizyklisch mit einer Erhöhung der Ausgaben etwas gegen die abschmierende Konjunktur zu tun. Man könnte auch sagen, dass die Ampel der eigenen Bevölkerung einen Heinrich Brüning unter den Weihnachtsbaum gelegt hat und statt Fortschritt eine Wiederholung der Fehler von gestern betreibt. Wenn dann die Rechtsradikalen die nächsten Wahlen gewinnen sind natürlich andere schuld. Putin natürlich, die Opposition, die im Vermittlungsausschuss das Wachstumschancengesetz blockiert oder das Bundesverfassungsgericht, das lediglich einfordert, was der Gesetzgeber in seiner unfassbaren Dummheit in die Verfassung hineingeschrieben hat. Dass die Schuldenbremse mehr zählt als das Sozialstaatsgebot oder die Absenkung eine abstrakten Staatsschuldenquote wichtiger ist, als Straßen, Schienen und Schulen, ist ein Skandal. Dafür haben sich die SPD-Delegierten auf ihrem Parteitag mit dem Singen der Internationale wieder an sich selbst berauscht.
Bildnachweis: Screenshot, tagesschau, 13. Dezember 2023
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.